Donnerstag, 19. März 2009

Herzensbindungen


Dies ist ein Gasteintrag der Autorin und Hundeexpertin Clarissa von Reinhardt. Vielen Dank an dieser Stelle!

Stellen Sie sich vor, Sie leben auf dem Planeten Mars und sind ein Hausmensch. Die Marswesen finden es interessant, sich Hausmenschen als Sozialpartner neben der eigenen Art zu halten. Sie sind fasziniert vom treuen Blick, dem Ausdrucksverhalten und der verspielten und freundlichen Art von Menschen. Besonders die ganz jungen haben es ihnen angetan, die sind ja so süß.

Nicht alle Marswesen gehen gut mit ihren Hausmenschen um, aber Sie haben Glück gehabt. Ihre Marswesen interessieren sich für artgerechte Hausmenschenhaltung und haben sich durch Bücher und Videos über deren Haltungsbedingungen informiert. Sie haben ein eigenes Zimmer mit gemütlichem Bett, bekommen regelmäßig zu essen (wenn auch leider tagaus, tagein das gleiche), ab und zu spielen Ihre Marswesen mit Ihnen oder kraulen Ihnen den Rücken und Sie werden täglich zwei bis drei Mal an der frischen Luft spazieren geführt. Dabei müssen Sie aber selbstverständlich an der Leine bleiben, denn man kann Hausmenschen nicht einfach unkontrolliert durch die Gegend laufen lassen. In der Regel werden Hausmenschen auch mit Eintritt der Geschlechtsreife kastriert, damit ihre sexuellen Triebe unter Kontrolle gehalten werden und sie sich nicht ungewollt vermehren.

Bei den Spaziergängen treffen Sie manchmal auf andere Hausmenschen und dann freuen Sie sich wie verrückt. Endlich ein Artgenosse, der Ihre Sprache spricht, der die Welt ähnlich wahrnimmt wie Sie und von dem Sie verstanden werden. Das ist bei den Marswesen nicht immer so, im Gegenteil haben die Marswesen manchmal sehr merkwürdige Interpretationen Ihres Verhaltens. Wenn Sie zum Beispiel pinkeln müssen, heißt es, Sie seien dominant und man müsse aufpassen, dass Sie sich nicht gegen Ihre Halter auflehnen. Und wenn Sie mit ihnen auf das Sofa legen wollen, um etwas zu kuscheln, sagt Ihr Frauchen, das sei unhygienisch und Ihr Herrchen hat Angst, dies würde seine Autorität untergraben. Dabei kommen Sie immer gleich, wenn Sie gerufen werden und versuchen auch sonst, möglichst alles richtig zu machen.

Sie freuen sich also sehr einen Artgenossen zu sehen, aber heute hat Ihr Marswesen keine Zeit und zieht Sie weiter. Sie gehen also notgedrungen mit ihm mit und hoffen auf einen anderen, besseren Tag. Manchmal dürfen Sie zum Beispiel in das Auslaufgebiet für Hausmenschen. Dort treffen sich viele Marswesen, die ihre Hausmenschen frei laufen lassen. An diesen Tagen dürfen Sie so viel spielen und reden, wie Sie wollen. Aber dennoch – den größten Teil des Tages sind Sie allein. Sie können keine Herzensbindung eingehen, denn Sie treffen zwar Artgenossen, es sind auch einige dabei, die Sie mögen, aber Sie wissen nie, wann das ist und wer heute da sein wird. Es ist wie ein Singledasein. Man hat seinen Freundeskreis, nette Gespräche – aber keine Herzensbindung. Kein liebevolles Umsorgen oder Kuscheln, kein sich wortloses Verstehen aus lang gelebter Zweisamkeit.

Irgendwie keine schöne Vorstellung? Na, dann überlegen Sie doch mal, welcher Artgenosse der Herzenspartner Ihres Hundes sein könnte. Am Besten, Sie schauen in einem Tierheim vorbei. Dort sitzen viele einsame Seelen, die darauf warten, gefunden zu werden. Einsame Seelen, die Herzensbindungen eingehen möchten.
Aber lassen Sie Ihren Hund entscheiden und geben Sie ihm ausreichend Zeit beim Kennenlernen.

Und sollten Sie in einem Tierheim auf Hunde treffen, die sich bereits gefunden haben, zwischen denen eine solche Verbindung besteht, seien Sie achtsam und verständnisvoll. Nehmen Sie entweder beide mit oder lassen Sie beide dort. Liebende soll man nicht trennen.

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